Mangel: Symptome und Risikofaktoren

Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Muskelschwäche: Es ist wichtig, die Anzeichen für einen Vitamin-B12-Mangel zu erkennen.

Wann spricht man von einem Vitamin-B12-Mangel?

Die Häufigkeit von Vitamin-B12-Mangel in der westlichen Bevölkerung ist heute schwer abschätzbar. Je nachdem welche Referenzwerte für das Vitamin B12 als kritisch erachtet werden, kommt man in der Literatur auf eine geschätzte Häufigkeit von 3–4 % bis auf über 20 % und mehr. Sofern die Plasmawerte von Vitamin B12 deutlich über einen Wert von 250 pmol/L (338 ng/L) liegen, kann man davon ausgehen, dass der Körper mit genug Vitamin B12 versorgt ist.

Falls die Konzentration von Vitamin B12 unter diesen Wert liegt, ist ein Mangel möglich. Auch andere Parameter müssen zur Diagnose herangezogen werden.

Bestimmung von Vitamin B12 allein reicht nicht aus

Das Problem bei der Messung der Plasmawerte von Vitamin B12 ist, dass diese Messung kein Abbild der effektiven Mengen an Vitamin B12 in den Zellen und im Plasma darstellt. Trotz normalen Werten von Vitamin B12 im Plasma, kann ein Mangel an Vitamin B12 trotzdem vorliegen. Seit zirka 20 Jahren wird deshalb das an Vitamin B12 gebundene Eiweiss im Plasma (das Holo-Transcobalamin) als frühzeitiger Marker für einen Vitamin-B12-Mangel mitbestimmt.

Bei einem funktionellen Mangel an Vitamin B12 treten neben den niedrigen Vitamin-B12-Werten auch Zeichen eines veränderten Zellstoffwechsels auf. Als Folge der Verlangsamung von enzymatischen Prozessen in den Zellen erhöhen sich die Homocystein- und Methylmalonsäure-Konzentrationen im Plasma, da diese Metabolite nicht mehr genügend in Methionin transformiert respektive im Krebszyklus (Zitratzyklus) zur Gewinnung von Energie eingeschleust werden. Diese beiden Parameter (Homocystein- und Methylmalonsäure) sind Indizien für einen Vitamin-B12-Mangel.

Unspezifische Symptome bei einem Vitamin-B12-Mangel

Die Diagnose eines Vitamin-B12-Mangels ist nicht einfach, da die klinischen Zeichen zu Beginn nicht eindeutig sind. Labordiagnostische Methoden können helfen, sind aber aufwändig und relativ teuer. Eine präventive Einnahme von Vitamin B12 kann in jedem Fall helfen, schwerwiegenden Folgen, wie den meist irreversiblen neurologischen Schädigungen, vorzubeugen. Häufig treten in einem frühen Stadium, bei dem die Vitamin-B12-Konzentrationen nicht notwendigerweise zu niedrig sind, die folgenden unspezifischen Symptome auf:

  • Müdigkeit
  • Energiemangel
  • Schläfrigkeit
  • Schwächegefühl
  • Kurzatmigkeit
  • Kopfschmerzen
  • Ohrsausen (Tinnitus)
  • Appetitmangel

Diese Symptome können alleine oder kombiniert auftreten und sind mögliche Anzeichen für einen Vitamin-B12-Mangel.

Blutarmut und irreversible neurologische Schädigungen

Blutarmut (makrozytäre Anämie) ist ein Symptom von Vitamin-B12-Mangel, welches erst spät auftritt, wenn die Vitamin-B12-Speicher schon lange leer sind. Die neurologischen Symptome können hingegen schon vor dem Abfall unter den Referenzwert (250 pmol/L) von Vitamin B12 auftreten. Generell gilt: je gravierender der Vitamin-B12-Mangel, desto spezifischer werden die Symptome:

  • Der Verlust der Empfindlichkeit bestimmter Hautareale (Taubheitsgefühl, Prickeln in der Haut, reduzierte Schmerzempfindung)
  • Schleimhaut-Ulzerationen im Mund
  • Rachenentzündung
  • Rötung der Zunge
  • gelbliche Verfärbung der Haut
  • Sehprobleme
  • Probleme beim Gehen (unkoordinierte Bewegungen)
  • Stimmungsschwankungen

Depression, Psychosen und Anzeichen einer Demenz können bei einem Vitamin-B12-Mangel auftreten, auch wenn die Plasmawerte von Vitamin B12 nicht besonders alarmierend sind.

Vitamin-B12-Mangel versus Folsäuremangel

Das Vitamin B12 fördert in den Zellen nicht nur die Bildung von Nukleinsäuren und Vorstufen von Neurotransmittern, sondern ist auch für die Synthese von Folsäure in den Zellen zuständig. Bei einer genügenden Zufuhr und Aufnahme von Vitamin B12 sollte theoretisch deshalb auch kein Folsäuremangel entstehen. Folsäure kann zudem auch unabhängig von der Eigensynthese der Zellen über die Nahrung zugeführt werden.

Die Symptome eines Folsäuremangels entsprechen in weiten Teilen den Symptomen des Vitamin-B12-Mangels. Auffallend bei einem Folsäuremangel ist die Blutarmut (makrozytäre Anämie), die auch bei einem schweren Vitamin-B12-Mangelzustand auftreten kann.

Ein Folsäuremangel kann auftreten, wenn der körperliche Bedarf erhöht ist, wie beispielsweise bei einer Schwangerschaft. Da die Folsäurespeicher im Körper nicht sehr gross sind (sie reichen für eine Bedarfsdeckung von zirka 2 Wochen), muss auf eine regelmässige Zufuhr über die Nahrung geachtet werden.

Ein Mangel an Folsäure während der Schwangerschaft kann schwere neurologische Folgen für den Fötus haben (ungenügende Rückenmarkskanalbildung [Spina bifida]), Herzfehler, mangelnde Ausbildung der Hirnhälften). Eine konsequente Prävention wird bei Schwangeren in der Schweiz seit Jahren betrieben.

Dass ein Vitamin-B12-Mangel trotz der Heilung der Anämie bei einem vermeintlichen Folsäuremangel weiterbestehen und in diesem Fall zu irreversiblen neurologischen Schäden führen kann, ist ein bekanntes Problem. Ältere Patienten, deren Anämie erfolgreich mit Folsäure behandelt wurde, können aufgrund eines weiterbestehenden Vitamin-B12-Mangels schwere, irreversible neurologische Defizite entwickeln (Demenz, Alzheimer). Ältere Patienten sind für einen versteckten Vitamin-B12-Mangel besonders anfällig.

Die Symptome eines Mangels treten schleichend auf

Die Speicher von Vitamin B12 in den Organen (vor allem in der Leber) sind relativ gross. Bevor ein Vitamin-B12-Mangel klinisch sichtbar wird (Abfall der Vitamin-B12-Werte im Blut), können Monate vergehen.

Die Symptome eines Vitamin-B12-Mangels treten schleichend auf, noch bevor ein Vitamin-B12-Mangel messbar ist. Die betroffenen Patienten gewöhnen sich an die unspezifischen Symptome wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Energiemangel oder depressive Zustände und fassen diese als Normalzustand auf. So bleiben viele Mängel unentdeckt und unbehandelt.

Zufuhr von Vitamin B12

Vitamin B12 wird ausschliesslich von Bakterien in der Natur hergestellt. Der menschliche Organismus ist nicht in der Lage, dieses Vitamin selbstständig aus organischen Bausteinen zu bilden. Deshalb ist der Mensch auf die externe Zufuhr von Vitamin B12 angewiesen.

Grundsätzlich kann der Vitamin-B12-Bedarf nur über den Verzehr von tierischen Produkten ausreichend gedeckt werden. Die Leber ist der Hauptspeicherort von Vitamin B12, nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Tieren. Leber und Muskelfleisch sind somit für den Menschen eine natürliche Quelle für die Deckung des Vitamin-B12-Bedarfs. Eier und Milch enthalten ebenfalls Vitamin B12 aber in deutlich geringeren Mengen. Fisch und Krustentiere sind auch gute Vitamin-B12-Quellen. Eine einseitige Ernährungsweise, ohne die Zufuhr von tierischen Nahrungsmitteln, begünstigt daher das Auftreten eines Vitamin-B12-Mangels.

Aufnahme von Vitamin B12

Die Vitamin-B12-Aufnahme hängt nicht nur von einer genügenden externen Zufuhr, sondern auch von körpereigenen Transportmechanismen ab. Im Magen wird der Intrinsic-Faktor abgegeben (ein Eiweiss, welches mit der Salzsäure abgegeben wird), welches das Vitamin B12 aus der Nahrung bindet und anschliessend die Aufnahme im Dünndarm gewährleistet.

Die volle Funktionsfähigkeit der Verdauungsabläufe des Magens ist eine Voraussetzung für die Aufnahme von Vitamin B12. Ist die Funktion des Magens durch irgendwelche Faktoren gestört, kann es zu einem Vitamin-B12-Mangel kommen.

Risikogruppen für einen Vitamin-B12-Mangel

Ab dem 60. Lebensjahr nehmen die Syntheseleistungen unseres Organismus generell ab. Auch der Magen ist davon betroffen. Es kann eine relative Atrophie (Rückbildung) der Magenschleimhaut entstehen. Dadurch nimmt die Synthese und Freisetzung des Intrinsic-Faktor und damit die Aufnahme von Vitamin B12 ab. Zudem kommt es vor, dass ältere Patienten der Diät keine grosse Beachtung mehr schenken, sodass es schnell zu einer Mangelernährung kommt. Ein Vitamin-B12-Mangel ist bei älteren Personen deshalb relativ häufig anzutreffen.

Personen, welche auf den Verzehr von tierischen Nahrungsmitteln verzichten, müssen auf einen Ersatz der natürlichen Zufuhr von Vitamin B12 achten. Pflanzen enthalten kein Vitamin B12 und Milch und Eier decken bei Weitem nicht den Bedarf. Eine regelmässige Zufuhr von Vitamin B12, am besten über eine orale Einnahme, ist bei Vegetariern angebracht und bei Veganern absolut notwendig.

Patienten, die Medikamente nehmen, welche die Ausschüttung von Salzsäure aus den Schleimhautzellen des Magens hemmen, sind prädestiniert für die Entwicklung eines Vitamin-B12-Mangels, weil diese Medikamente mit der Reduktion der Salzsäureausschüttung auch die Freisetzung des Intrinsic-Faktors hemmen. Dadurch reduziert sich die Aufnahme von Vitamin B12 aus dem Darm. Falls Antihistaminika oder Protonenpumpenhemmer über Jahre hinweg verwendet werden, ist es sinnvoll, bei entsprechenden Symptomen (Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Energiemangel, Depressionen) auch an einen Vitamin-B12-Mangel zu denken.

Nach Magenoperationen (Teilresektion, bariatrische Chirurgie) kann, bedingt durch eine Entnahme der Magenschleimhaut, eine Unterversorgung mit Vitamin B12 entstehen. Auch diese Patientengruppe müsste deshalb hinsichtlich der Versorgung mit Vitamin B12 verstärkt beobachtet werden.

Bei Operationen wird häufig Lachgas (N2O) als Narkosemittel eingesetzt. Das Lachgas inaktiviert das Vitamin B12. Es entsteht in kurzer Zeit ein relativer Mangel an diesem Vitamin. Nach Operationen, vor allem bei älteren Patienten, bei denen die Vitamin-B12-Reserven ohnehin schon kritisch sind, muss auf eine externe Zufuhr geachtet werden. Lachgas wird auch als Partydroge von jungen Leuten verwendet. Bei regelmässiger Anwendung von Lachgas kann schnell ein Vitamin-B12-Mangel entstehen.

Jüngere Frauen im gebärfähigen Alter dürften von Natur aus eigentlich keine Risikogruppe für Vitamin-B12-Mangel darstellen. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass gerade diese Gruppe aufgrund ihres Lebensstils (Diät, Fitnessprogramme, Anorexie) häufig (bis zu 40 % der Frauen) von einem relativen Mangel an Vitamin B12 betroffen ist. Bei einem erhöhten Bedarf, wie in der Schwangerschaft, kann bei diesen Frauen ein ernsthafter Mangel an Vitamin B12 entstehen, der sich anschliessend auf den Fötus und später auf das Neugeborene übertragen kann. Infolgedessen können auch Kleinkinder im Alter von wenigen Monaten (0–6 Monate) bei ausschliesslichem Stillen ohne Milchersatz von einem relativen Vitamin-B12-Mangel betroffen sein. Kleinkinder können bei einem Vitamin-B12-Mangel verstärkt neurologische Defizite aufweisen. Diese neurologischen Defizite bei Kleinkindern äussern sich durch auffällige Schluckbeschwerden und Regurgitieren (=Rückfluss von Nahrung vom Magen in die Speiseröhre beim Kleinkind).

Patienten mit Typ-II-Diabetes (Altersdiabetes), die orale Antidiabetika (Metformin, Sulfonylharnstoff) zur Kontrolle des Blutzuckers einnehmen, sollten regelmässig den Vitamin-B12-Status überprüfen lassen, da heute bekannt ist, dass diese Wirkstoffe die zirkulierenden Vitamin-B12-Konzentrationen im Plasma um 25% reduzieren.

Patienten welche an Gastritis leiden und möglicherweise auch eine bakterielle Infektion des Magens haben (Helicobacter-pylori-Infektion), weisen niedrigere Vitamin-B12-Konzentrationen im Plasma auf. Das ist die Folge der Malabsorption von Vitamin B12 im Dünndarm, die sich bei einem solchen Krankheitsbild einstellt.

Sportler und Studenten, welche hohe physische und mentale Leistungen erbringen müssen, weisen einen höheren Bedarf an Vitaminen auf. Ein Mangel an Vitaminen, vor allem der B-Reihe, kann auftreten. Das Vitamin B12 ist wichtig für die Aufrechterhaltung von neuralen Strukturen (Bildung der Myelinschicht und von Neurotransmittern) und die Verwertung der Nährstoffe (Fette, Kohlenhydrate, Aminosäuren) zur Bereitstellung von Energie in der Zelle. Entleeren sich die Vitamin-B12-Speicher im Organismus, können die mentalen und physischen Leistungen nicht mehr erbracht werden. Erschöpfung und depressive Verstimmungen können daraus entstehen.